Tagebuch von Dr. Isidior von Gruvenstein, 29.07. 5 n. WK 4

Liebes Tagebuch,

lang kam ich nicht in den Genuss eines Gänsekiels in meiner Hand. Nun endlich ist es wieder einmal so weit, und es gibt viel zu berichten. Die Akademie ist konsequent, die Expedition muss im genannten Zeitrahmen stattfinden. Mein Vermögen ist als Erstattung für die zerstörte La Frontera Victoriana akzeptiert worden, und es wurde ein neues Luftschiff in Auftrag gegeben. In ungefähr zwei Jahren ist mit der Fertigstellung der La Frontera Victoriana II, baugleich der ersten, zu rechnen. Bis dahin müssen wir sehen, daß wir eilends einen Ersatz bekommen, und das mit begrenzten Mitteln. Meine Konten sind derzeit im, nun ja, nennen wir es Ruhezustand. Das führt mich direkt zu einem zweiten Thema: dem nun notwendigen Musizieren.

Der Tinnitus, den die Explosion des Luftschiffs verursacht hat, wurde direkt abgelöst von dem Tinnitus, den die verbliebene Crew bei den ersten Kostproben ihres musikalischen Talents verursachte. Neben der Tatsache, daß sich diese universellen Dilettanten zunächst ein brauchbares Instrumentarium erstellen müssen, scheiden sich die Geister bereits am Stil der musikalischen Darbietungen. Musik, das bedeutet mir Sonate, Symphonie, Kunstlied, gar die große Oper. Die geschätzten Herren Luftschiffer hingegen plädieren für obszöne Tanzmusiken und Chanson! Verwerflich! Doch faszinierend... Aber nein! Unsittlich! Trotzdem...

Und noch etwas lässt mir keine Ruhe, obwohl ich diesem Umstand - aus Rücksicht auf meinen mentalen Zustand - gern wenig Bedeutung zumessen möchte (was mich allerdings viel Anstrengung kostet): Kapitän Mittka auf der Nebelweide scheint mir derzeit ein wenig abwesend – nicht nur geistig. Manchmal scheint er substanzlos zu werden, gleichsam im Raum zu transzendieren. Als machte ein gewisser Teil der Atome, die ihn zusammenhalten, gleichzeitig einen Schritt zur Seite. Vorher und danach ist er jedoch in seiner unübersehbaren Gänze anwesend. Es handelt sich nur um kurze Erscheinungen. Ein Mysterium. Ich werde es zu beobachten versuchen, aber ich muss zugeben, es beginnen einem dabei doch stets die Augen zu tränen.